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CantoClassico umrahmt die Enthüllung
Montag, 23. Mai 2016


"Wäch­ter" fin­det gu­ten Platz im Schloss­park

Bronzenachbildung von Riedisser-Skulptur ist am Sonntag feierlich enthüllt worden

 Von Vera Stiller 23. Mai 2016

Kisslegg - Es hätte nicht stimmiger sein können. An dem Tag, an dem in Deutschland der 39. Internationale Museumstag mit dem Motto "Museen in der Kulturlandschaft" gefeiert wurde, enthüllten die Kißlegger in ihrem Schlosspark die Bronze-nachbildung eines Werkes von Wilhelm Riedisser.

Der in Kißlegg geborene Bildhauer hatte den "Wächter" 1913 Kaiser Wilhelm II. zum Kauf angeboten, der sich dann aber für eine weitere Plastik Riedissers entschied. Seither hält der schöne Jüngling in einem Villengarten am Wannsee Wacht - und sein Abbild nun auch nahe des Neuen Schlosses in Kißlegg.

Lob für den Initiativkreis und Hermann Scharpf

"Was macht Kißlegg aus?" Die nochmalige Beantwortung der vor einiger Zeit an ihn gestellten Frage war es, die Bürgermeister Dieter Krattenmacher an den Anfang seiner Begrüßung stellte. Nicht ohne sich zuvor darüber zu freuen, dass die Veranstaltung wie erhofft unter freiem Himmel und im Schatten des Schlosses stattfinden konnte. "Es gibt bei uns viele Bürgerinitiativen, die dafür stehen, dass sich das Leben in der Gemeinde angenehmer gestalten lässt und die Menschen zueinander finden", betonte Krattenmacher.

So sei es kein Zufall gewesen, dass einige Bürger die Idee von Hermann Scharpf aufgegriffen hätten, den Künstler in Form eines seiner Werke zurück nach Kißlegg zu holen, sagte der Bürgermeister. Und er hob die Mitglieder des "Initiativkreises zur Förderung und Realisierung des Projektes Wilhelm Riedisser" hervor und hielt vor Augen: "Ohne sie hätte es nicht geklappt."

Den Tag der feierlichen Enthüllung des "Wächters" bezeichnete der Rathauschef als einen ganz besonderen Tag. Von nun an würde mit einem Auge auf die Menschen in dem allein aus Bürgerspenden weiterentwickelten Park, mit dem anderen herüber zum Rathaus geschaut. "Ein guter Platz" rief Dieter Krattenmacher abschließend aus.

Hermann Scharpf, der nach eigenem Bekunden "Riedisser zufällig entdeckt hat", zeichnete in einem weiten Bogen die Ereignisse ab diesem Zeitpunkt nach: Beginnend bei der Kontaktaufnahme mit dem heutigen Eigentümer der Bronze und der Erlaubnis, eine Abformung von Figur und Sockel anfertigen zu dürfen, bis hin zur Überführung des Originals in Scharpfs Atelier nach Menelzhofen und schließlich die langwierigen Arbeiten des Gießens und Ausformens in einem Ulmer Betrieb - alles wurde lebhaft dokumentiert.

Sinnliche Anmut und Ausgewogenheit

Die vielen Gäste forderte Scharpf dann auf, die Augen zu schließen und anhand seiner Beschreibung, "das Kunstwerk vor dem geistigen Auge entstehen zu lassen". Dabei war von dem Vorbild in Richtung antiker, aber weiterentwickelter Kunst die Rede, von der sinnlichen Anmut und Ausgewogenheit und der sich "von unten nach oben steigernden Anspannung" des Abgebildeten, die höchste Vitalität und Wachsamkeit in sich trage.

Die "individuelle Nacktheit" sei zudem der Beweis dafür, "dass jeder von uns der Wächter sein kann". Ja, dass dadurch "Vertrautheit und Nähe" geschaffen würde.

Quelle für Inspiration für alle Generationen

"Erfreuen Sie sich an der körperlichen Sinnlichkeit, aber nehmen Sie auch den standhaften, wehrhaften Geist wahr", forderte Hermann Scharpf auf. Um abschließend zusammenzufassen: "Die Bronze soll eine Quelle der Inspiration für die jetzige und alle nachfolgenden Generationen sein und dazu animieren, sich für Unabhängigkeit und Freiheit und gegen den Ungeist einzusetzen."

Nachdem Rolf Schiller aus Ravensburg die 200 Jahre alte Geschichte des Kißlegger Schlossparks in einem "wenig bekannten Schillerschen Schummelgedicht" zu Gehör gebracht hatte, ging es zum Kunstwerk selber. Unter dem Applaus der Zuschauer wurde die Skulptur enthüllt und der Öffentlichkeit übergeben. Der Liederkranz Kißlegg, der zuvor schon mit seinen Gesängen von den "freien Gedanken" oder von dem "Herrn, der das stille Land von oben segnet" erfreut hatte, bot weitere Chorliteratur aus der Zeit des Künstlers um 1900.